Welch ungewöhnliches Jahr 2020 – eine Herbstreise in Deutschland

Ruth Weiss presenting

Zurück von einer langen, intensiven Lesereise in Deutschland (2.9.-6.10) als ‚Zeitzeugin des 20sten Jahrhunderts‘ , mit der unterschiedlichsten Zuhörerschaft , meist in Schulen, finde ich etwas Zeit zur ruhigen Betrachtung des Erlebten.

Die augenblickliche politische Lage, der Hintergrund der menschenfeindlichen Ereignisse der letzten Monate in Hanau und Halle – sowie am Ende der Reise der Überfall auf einen jüdischen Studenten am Sukkot, dem Laubhüttenfest in Hamburg – trugen dazu bei, die Veranstaltungen lebhaft zu machen. So gab es keine Diskussion, bei der die dunklen Wolken der heutigen Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus, des ewigen Antisemitismus die über der Welt lasten, nicht von den Jugendlichen und Erwachsenen jedweder Herkunft angesprochen wurde. Die Unsicherheit, ja und eine geweisse Angst, die zum Teil bedrohlichen Aussagen führender Politiker, und auch ungelöste globale Konflikte belasten die Zukunft. Ein Zitat in einem neuen Buch mit den Stimmen jüdischer Frauen (,Halle Ist Überall‘ herausg. Nea Weissberg) ist äusserst bedrückend; unter ihnen die einer Frau, die erklärte, als sie noch in der Ukraine lebte sei sie um die Sicherheit ihrer Kinder besorgt gewesen – nun in Deutschland um die ihrer Enkel!

Ruth Weiss presenting

Junge Menschen suchen nach Aufklärung. Ich fand ausnahmslos grosse Aufmerksamkeit und echten Dialog. Es war sicher kein Zufall, dass in Brandenburg die Bildungsministerin Britta Ernst – gefolgt von Medien –  unsere Veranstaltung im Haus der Kinder, Jugend und Familie mit ihrer Anwesenheit ehrte. Das Thema deutscher Vergangenheit gekoppelt mit einem wachsenden Rassismus in der Welt und dem Rechtsextremismus vor der Haustür ist leider allzu aktuell.

Ruth Weiss presenting
mit Lutz Kliche als Moderator

Bei der letzten Lesung in der Berliner Carl von Ossietzky Schule schienen die Jugendlichen mehrheitlich einen Migrationshintergrund zu haben, sodass es großartig war, dass sie applaudierten zu meinem Rat „nicht wegschauen, wenn jemandem Unrecht geschieht“. Und traurig, dass ein älterer Herr uns in Dresden erklärt hatte, man habe ihm immer gesagt, alle Nazis lebten in Westdeutschland…

Wie kann es das geben: Anti-Semitismus ohne Juden zu kennen, Anti-Islamismus ohne ein Kennenlernen von Muslimen?

Zusammenfassend möchte ich wiederholen: Niemand ist mit Vorurteilen geboren!

Weswegen es nicht nur nötig sondern auch möglich ist zu lernen, diese abzulegen!