Wannsee – lange Schatten

Schild am Palais in Wannsee, wo am 20.1.1942 führende Nationalsolzialisten den Völkermord planten (Foto A Jones WikiCommons)

Was sagt es über Hass aus, wenn eine zwanzigjährige Frau einen Achtjährigen wegen seiner Herkunft bespuckt? Letzte Woche verhaftete die New Yorker Polizei eine Frau, die sich herabgelassen hatte, genau das zu tun. Sie fügte noch hinzu: „Wir werden euch alle töten, ich weiß, wo ihr wohnt, und wir werden dafür sorgen, dass wir euch beim nächsten Mal alle erwischen.“

Unschwer zu erraten, dass es sich bei dem Jungen um einen Juden handelte. Dass so etwas kein Einzelfall ist, wurde am folgenden Tag bestätigt, als während des Sabbat G’ttesdiensts in einer Synagoge in Texas vier Menschen als Geiseln genommen wurden.

Zwei Ereignisse, die zufällig um den 20. Januar herum stattfanden, dem Tag, an dem vor 80 Jahren in Nazi-Deutschland die Wannsee Konferenz stattgefunden hat, mit der die „Endlösung“ – und damit der Völkermord von sechs Millionen Juden – besiegelt wurde.

Das Morden hatte bereits zu diesem Zeitpunkt begonnen. In Wannsee wurde die Ausrottung der Juden geplant und ‚genehmigt‘, die in deutschen Vernichtungslagern und anderswo in den von Deutschland besetzten europäischen Ländern systematisch ausgeführt wurde. Hatten sich die Besetzten dagegen gewehrt? Hatten sie gegen dieses horrende Verbrechen an ihren Mitbürgern und Flüchtlingen innerhalb ihrer Grenzen protestiert? Weit gefehlt – den Massenmördern wurde bereitwillig und effizient geholfen. Ohne solche massive Hilfe hätten die Deutschen nicht die gesamte Anzahl der Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, polnische Intellektuelle, russische Zivilisten, Kriegsgefangene, politische Gegner und andere massakrieren können, wie sie es taten. Die Juden, Hitlers Hauptziel, bildeten dabei die größte Opfergruppe.

Im vergangenen Jahr gedachte Deutschland offiziell des 1700-jährigen Bestehens jüdischen Lebens in Deutschland. Es wurden zahlreiche Veranstaltungen abgehalten, Tausende Worte über die lange Zugehörigkeit der „Juden zu Deutschland“ oder über ihren positiven Beitrag im öffentlichen Leben geschrieben und gesprochen. Jedoch: Im Hintergrund lauerte der offene Antisemitismus, der in den letzten Jahren in Deutschland wie auch anderswo zugenommen hat.

Tausende Worte wurden ebenfalls geschrieben über den Antijudaismus und Antisemitismus, die Rivalität der frühen Kirche mit dem Judentum, die regelmäßige Schuldzuweisung der Juden als ‚Mörder des Erlösers‘ sowie über Neid und Eifersucht auf fleißige Menschen.

Wenn diesem Trend nicht mit offenem Protest, Anprangerung des Unrechts sowie mit  Unterstützung und Aufklärungsarbeit begegnet wird, wird der inakzeptable, unverantwortliche und ungerechtfertigte Hass weiter bestehen und an die nächsten Generationen weitergegeben werden.